Als SPDler hat’s Herbert Petrilak-Weissfeld nicht leicht - der Plattlinger Stadtrat schmeißt sich dazu noch in Online-Debatten, um die Politik der etablierten Parteien zu verteidigen.
Von Roman Hiendlmaier Plattling.
Ein aufrechter Soze
Es gehört eine gewisse Grund-Robustheit dazu, in Niederbayern SPD-Politiker zu sein. Die „Roten“ dienen dem politischen Gegner seit je her für alles negative im Freistaat, von warmen Wintern und nassen Sommern bis zu Schnitzel-Verboten und Gender-Pflicht, schließlich ist die SPD Mitglied der Ampel-Koalition. In Plattling gehört Herbert Petrilak-Weissfeld zu den aufrechten „Sozen“, die seit Jahrzehnten im tiefschwarzen Bayern die rote Fahne hochhalten. 2018 wollte ihn jeder fünfte Plattlinger als Bürgermeister, aktuell steht er im Stadtrat der vierköpfigen SPD-Fraktion als Sprecher vor. Der Plattlinger Ehrenbürger und Altbürgermeister Siegfried Scholz hatte ihn zur SPD geholt - sein politisches Vorbild, was Mandatsführung und Meinungsbildung in einem Gremium ohne eigene Mehrheit anbelange, sagt Herbert Petrilak-Weissfeld.
Im Stadtrat regiert in der Regel die Vernunft
Im Stadtrat wird diskutiert - manchmal auch emotional - womit der erfahrene Lokalpolitiker kein Problem hat. Auch nicht mit dem Dagegenhalten, wenn er es für richtig hält. Bei der Umstellung der Wasserversorgung auf Waldwasser zum Beispiel, stimmte er dagegen, weil er überzeugt war, dass die neue Versorgung einem Betrieb Arbeitsplätze kosten wird. Vernunft gegen Verrohung „Im Stadtrat regiert in der Regel die Vernunft,“ sagt der 63-Jährige über dieses Ehrenamt, das im krassen Gegensatz zu der Art steht, wie in sozialen Medien politische und gesellschaftliche Themen diskutiert werden. Aber auch dort wirft Petrilak-Weissfeld sich in die Schlacht der Argumente, wenn er es für geboten hält: „Ich kann einfach nichts stehenlassen, wenn ich das für falsch halte“, sagt er. Das sei schon so gewesen, als er zuerst Klassen- und später Hochschulsprecher war. Die Debatten seien damals teils emotional und in der Wortwahl gepfeffert gewesen. Aber damals stand man sich noch Auge in Auge gegenüber - „heute ist jedem klar, dass er wenig zu befürchten hat, selbst wenn er willkürlich Unsinn erzählt“, sagt Petrilak-Weissfeld.
In den sozialen Medien verroht der Umgangston
Entsprechend verrohe der Umgangston und sänken die Hemmungen - vor allem, wenn man sich gegen das stelle, was im Netz herrschende Meinung sei, die AntiAmpel-Stimmung beispielsweise. Dagegen argumentiert der Sohn eines Schlossers und einer Verkäuferin mit Verve – und Fakten: Mehr Rente, mehr Kindergeld und Mindestlohn steht auf einer Liste, die er den „Ampel muss weg“-Schreiern digital entgegenhielt. Er erinnerte, dass schon Helmut Kohl den Kampf gegen den Klimawandel als drängende Aufgabe bezeichnet hatte. Es gefällt nicht jedem, das ist ihm schon klar, wenn er die Bauernproteste als überzogen kritisiert - und ein Video von Bundesminister Robert Habeck zu diesem Thema teilt - oder der CSU Heuchelei vorwirft, weil (auch) deren Abgeordnete im Rechtsausschuss des Bundestags für die Abschaffung der Steuerbefreiung für Traktoren gestimmt hatten. Im Clinch der Argumente gehe es ihm aber immer um die Sache, sagt er. Und: „Ich vertraue auf die Kraft der Vernunft.“ „Faschismus ist ein Gräuel“ Dieses Vertrauen werde bei seinem „Lieblingskritikthema“ aber arg strapaziert: der AfD.
„Faschismus ist mir grundsätzlich ein Gräuel“
,sagt Petrilak-Weissfeld. Mit Besorgnis beobachte er, wie mit Fakenews und Halbwahrheiten die Spaltung der Gesellschaft vorangetrieben werde. Wobei er betont, kein den Sozialromantiker zu sein, der das Lied vom bedingungslosen Grundeinkommen singt: „Wer arbeiten kann, soll arbeiten“, sagt der Maschinenbauingenieur. Das gelte auch für Zuwanderer, wenngleich hier für Neuankömmlinge die Bürokratie eine höhere Hürde als deren Motivation sei. „Viele der Spätaussiedler arbeiten unter ihrer Qualifikation und sind deshalb unzufrieden“, weiß Petrilak-Weissfeld aus Erfahrung. Was zur paradoxen Situation führe, dass Spätaussiedler oft AfD wählen. Letztlich aber sei sein Streiten weniger ein verbaler Kampf „links gegen rechts“, sondern der Versuch, die gesellschaftlichen Schichten zusammenzuhalten: „Die AfD gibt sich gern als Anwalt der Schwächsten, die dazu noch die Zuwanderung stemmen müssten.“ Das Gegenteil sei der Fall, zeige der Blick in deren Programmheft: Zuschüsse aus Steuermitteln statt Mindestlohn, weiter so bei Leiharbeit und Werkverträgen, weniger Steuern für Reiche, null Erbschaftssteuer ...
„Reiche können mit einem armen Staat gut leben, das zeigen die Geschichte“,
- und der Blick über den heimischen Tellerrand, sagt der Hobby-Historiker. Umso wichtiger sei, dass jeder, der dazu in der Lage ist, seinen Beitrag zum Sozialstaat leisten müsse. Ein Lob von der CSU Ob sein Engagement in den sozialen Medien ein Ziel habe, auf diese Frage überlegt Petrilak-Weissfeld lange. Dann sagt er: „Ich finde es wichtig, zu sagen, was ich für richtig finde.“ Manche nennen das Gscheidmeierei und Gschaftlhuberei, lächelt er. Aber da stehe er drüber. Und wenn andere immer und immer wieder mit den gleichen Behauptungen und Unterstellungen ums Eck kämen - sollen sie doch. Am Ende siegt beim Plattlinger „Sozi“ die Hoffnung, dass der Traum von einer sozial gerechten Gesellschaft nicht ausgeträumt ist: „Der Wandel ist möglich“, sagt Petrilak-Weissfeld, „und wenn schon nicht in unserer Generation, dann hoffe ich auf die Jugend.“ Für zumindest ein wenig Anerkennung seiner Kärrnerarbeit im Dienste des sozialen Miteinander - muss er jedoch nicht auf die nächste Generation warten. Jüngst lobte ihn in einer Online-Debatte der Deggendorfer Stadtrat Alois Schraufstetter: „Herr Petrilak-Weissfeld lebt in seiner eigenen Welt, umgeben von roten Wolken. Aber er ist eigentlich sehr nett und bleibt sachlich. Das muss man ihm anrechnen."