Georg Weiß im großen PNP Jahresinterview

Georg Weiß

13. Januar 2019

Die PNP gab nach dem großen Jahresinterview mit dem ersten Bürgermeister Erich Schmid auch den beiden Vorsitzenden der Oppositionsfraktion die Möglichkeit ihre Positionen aufzuzeigen. (Aus Platzgründen erfolgt hier die Wiedergabe beschränkt auf die Antworten des Fraktionsvorsitzenden der SPD, Georg Weiß)

Mangel an politischer Kultur
PNP: Bürgermeister Schmid hat im großen Jahresinterview mit der PZ betont, dass sich die Drei-Parteien-Konstellation im Stadtrat bewährt habe. Auch aus der Sicht der beiden Fraktionsvorsitzenden der Oppositionsparteien?
Georg Weiß: Die politische Kultur im Plattlinger Stadtrat ist angesichts einer überbordenden Mehrheit der CSU schlicht nicht gegeben. Sie besetzt sämtliche Positionen bis hin zum dritten Bürgermeister sowie zu den Beauftragten für Senioren, Jugendliche und Behinderte. Sie tut nichts dafür, dass die anderen Fraktionen adäquat einbezogen werden, wie es dem politischen Anstand gebühren würde. Angesichts dessen ist in Plattling das Glück, dass bei SPD und Freien Wählern erfahrene, ältere und vernünftige Leute arbeiten. Wir bringen uns in alle Bereiche extrem ein.
Wir als SPD-Fraktion haben ja den Haushalt 2018 wegen des Kindergartenumbaus abgelehnt, weil wir das für eine der größten Fehlentscheidung der vergangenen 15 Jahre halten. Wir sitzen alle im Stadtrat, um das Beste für den Bürger zu erreichen. – und das ist nicht das Beste.

PNP: Derzeit laufen die Gespräche für den neuen Haushalt. Wie ist der Stand der Dinge?
Weiß: Wir werden den Haushalt schon irgendwie stemmen. Bloß zeigt sich, dass wir wahrscheinlich mit dem Abschied des Bürgermeisters 2020 einen Kassenstand von Null haben werden – angesichts des Forschungszentrums, das uns jetzt die letzten Rücklagen raubt, und der vielen Millionen Euro, die wir zuletzt für Grundstückskäufe ausgegeben haben. Dieses Geld kommt eben erst später wieder rein. Das sehe ich jetzt nicht unbedingt negativ. Aber wegen der vor uns stehenden Aufgaben werden wir um eine Verschuldung nicht rumkommen.

PNP: Herr Weiß, an welche Aufgaben denken Sie konkret?
Weiß: Die Millionenprojekte Rathaus, Preysing- und Luitpoldstraße und auch der Nordpark III mit zwei Millionen Euro. Übrigens: Der teuerste Park aller Zeiten. Der Quadratmeterpreis für die Außengestaltung liegt bei 65 Euro. Mit dieser Summe lässt sich ein Baugebiet mit Kanal, Strom, Wasser erschließen. Dort erhalten wir eine Magerwiese. Und dann haben wir die Riesenaufgaben, die wir jetzt schon seit Jahren schieben: Die Sanierung der Mittel- und der Grundschule. Die Deggendorfer Straße und der Stadtplatz stehen uns auch noch bevor. Da helfen mir irgendwann die ganzen Zuschüsse nichts mehr.

PNP: Also geht der Bürgermeister Ihrer Meinung nach zu viele Projekte auf einmal an?
Weiß: Nein, er geht die verkehrten Projekte an. Wir haben zum Beispiel nur auf Druck der Bevölkerung das Einkaufszentrum am Magdalenenplatz. Nach seinem Willen würde da jetzt eine völlig unnötige Stadthalle stehen, die wir im Jahr 20 Mal nutzen würden. Und die Fortsetzung der Innenstadtentwicklung, der Wohnungsbau, das zieht sich. Da ist praktisch überhaupt nichts passiert. Mir geht das alles zu langsam.

„Ich sehe das MoMo als Dreier im Lotto“
PNP: Thema TH-Forschungszentrum: Bürgermeister Schmid hat das MoMo im PZ-Interview als „die Zukunft“ bezeichnet. Sie waren bei unserem Gespräch vor einem Jahr sehr skeptisch. Immer noch?
Weiß: Ich sehe das MoMo als Dreier im Lotto, wir wollten eigentlich einen Sechser. Als wir uns um einen Gesundheitsstudiengang mit 1000 Studenten bemühten, kauften wir uns ein Los für 60 000 Euro – das hat nämlich die Machbarkeitsstudie für die Bewerbung gekostet. Man kann das Forschungszentrum nicht ablehnen, aber man muss es nicht bezahlen. Die Bezahlung ist definitiv nicht die Aufgabe der Stadt. Hochschulpolitik ist rein Aufgabe der Bayerischen Staatsregierung und die muss das gefälligst auch zahlen, nicht die Finanzierung mittels irgendwelcher Konstrukte auf Kommunen abschieben. Und dann bekommen wir für das MoMo, das uns sicher zehn Millionen Euro kosten wird, nicht einmal Förderungen. Metten bekommt jetzt eine Fakultät und bezahlt dafür keinen einzigen Euro. Aus gesetzlicher Sicht kommt hinzu: Wir dürfen als Stadt gar nichts kostenlos zur Verfügung stellen, was wir bei der Miete für das MoMo ja nun für Jahre machen sollen. Es gibt eine Gemeindeordnung, an die hat sich jeder zu halten. Ich erwarte deshalb, dass die Aufsichtsbehörde – das Landratsamt Deggendorf–, diesen Haushaltsplan kritisiert und verbietet. Ich bin nicht gegen das MoMo, aber ich bin dagegen, dass die Stadt Plattling der Dumme ist und es bezahlt.

"Es macht extremen Spaß für die Allgemeinheit zu arbeiten"
PNP: Warum setzen Sie sich nach so vielen Jahren immer noch ehrenamtlich für die Kommune ein? Weiß: Weil es extrem Spaß macht, für die Allgemeinheit zu arbeiten. Und es machen auch kleine Erfolge Spaß. Unsere Demokratie, unsere Gesellschaft würde ohne Kommunalpolitiker, ohne die vielen „Vereinsmeier“ nicht funktionieren. Ich habe in meinen 41 Jahren im Stadtrat eigentlich fast noch keine Minute bereut, weil es eine sehr sinnvolle Tätigkeit ist und man Einblicke bekommt, die man ohne Kommunalpolitik nie bekommen würde.
Was mich halt wirklich ärgert ist: Da haben wir eine neue Staatsregierung mit den Freien Wählern als Hoffnungsträgern und dann kommt als erstes diese Polder-Entscheidung. Die lassen die Unteranlieger der Donau völlig absaufen. Ich möchte gerne wissen, welche niederbayerischen CSU Politiker diesen Koalitionsvertrag mit unterschrieben haben. Wenn es Landrat Christian Bernreiter gewesen sein soll, das wird zumindest von Poldergegnern so rausgetragen, wäre das der Gipfel der Unverfrorenheit!

PNP: Wenn wir schon bei der „großen Politik“ sind: Die Landtagswahl im vergangenen Jahr war für die Sozialdemokraten eine Katastrophe. Können Sie sich diese Ergebnis erklären, Herr Weiß?
Weiß: Das wenn ich könnte, dann würde ich nicht hier sitzen, sondern in Berlin in führender Position. Ich weiß zwar, dass unser Führungspersonal, wie bei allen anderen Parteien auch, zur Zeit nicht den besten Ruf hat. Aber das kann es nicht alleine sein. Mir bereitet Sorgen, dass man eine ganze Volksgruppe nicht mehr erreicht. In Gebieten, in denen vermehrt Neubürger zugewandert sind, haben wir in Plattling erschreckende Ergebnisse. Diese Menschen sind auch einseitig informiert. Russlanddeutsche haben damals jede Hilfe von uns bekommen. Die ganze Gaudi ist dann 2015 losgegangen mit den Flüchtlingen. Da scheint sich in der Bevölkerung die Haltung rauskristallisiert zu haben: Flüchtlinge bekommen alles, wir nichts. Da ist viel Neid im Spiel. Das Schlimme ist, dass man gar nicht weiß, wie man dieses Problem ansprechen soll. Ich kenne ja ein paar, aber mit denen ist diesbezüglich nicht zu reden.

PNP: 2020 stehen die Kommunalwahlen an. Wie stellen Sie sich auf?
Weiß: Es ist unbestritten, dass sich die SPD zur Zeit in einem Tief befindet und da ist es natürlich umso schwerer, neue Leute zu bekommen. Wir verzeichnen zwar zum Glück mehr Eintritte, als Mitglieder wegsterben. Aber nur das Mitglied alleine macht es ja nicht aus. Derjenige muss ja erst bekannt werden. Man muss als Partei eine gute Balance aus bekannten und neuen Kandidaten für die Kommunalwahl finden. Wir kommen noch im Januar zum ersten Mal in der Vorstandschaft zusammen. Da müssen wir uns über den Bürgermeisterkandidaten, mögliche Listenkandidaten und vor allem über unsere Themen unterhalten. In diesem Zusammenhang ärgert mich die sogenannte Junge Liste, die in Wahrheit die zweite CSU-Liste in Plattling ist. Die JU hat noch nie selbstständig gearbeitet. Das heißt: Die CSU tritt, gerichtlich erlaubt, mit zwei Listen an, was sicherlich auch ein Geheimnis ihrer großen Mehrheit ist.

Verdichtung in der Innenstadt, damit nicht die Lichter ausgehen
PNP: Bürgermeister Schmid hat in den Bürgerversammlungen ein sehr positives Bild von der Entwicklung Plattlings gezeichnet. Sehen Sie das grundsätzlich ähnlich?
Weiß: Es wäre ja schizophren, wenn man sich als Kommune nicht weiterentwickeln würde. Das meiste müssen wir halt machen für die künftigen Generationen. Am wichtigsten sind für uns Kinder, Jugendliche und ältere Leute. Wir müssen Plattling so gestalten, dass man sich hier wohlfühlt. Plattling ist nicht nur Nibelungenspiel und Volksfest, Plattling ist mehr. Und wenn ich mir den Nordpark I oder die Mühlbachpromenade anschaue, dann sind das Sachen, die einer Stadt wie unserer gut anstehen. Bloß bestimmte Vorhaben gehen mir halt viel zu langsam, wie etwa die Verdichtung der Innenstadt. Was machen wir, wenn das Ehepaar Heinze mit ihren Modegeschäften heute aufhören würde? Dann gehen in Plattling die Lichter aus. Deshalb müssen wir die Innenstadt verdichten. Ich hoffe, dass die Pläne für das ehemalige Hiergeist-Gelände umgesetzt werden und die Überplanung und Bebauung des einstigen GM-Geländes funktioniert.

„In fünf Jahren kommt der große Umbruch“
PNP: Welche Aufgaben muss die Stadt in den nächsten Jahren außerdem angehen? Weiß: Die größten Probleme werden wir in den nächsten Jahren mit der Wasserversorgung haben. Ich verstehe nicht, warum man einer Stadt wie Plattling eine funktionierende Wasserversorgung krampfhaft versucht zu nehmen – nur, weil man in Moos ein neues Wasserwerk für 36 Millionen Euro gebaut hat? In 48 anderen bayerischen Kommunen darf Tiefenwasser weiterhin entnommen werden.
Angesichts des Klimawandels kann man doch keine gut ausgebaute, hochwassersichere Wasserversorgung einer ganzen Stadt streichen – aus irgendwelchen Gründen. Der Vorsitzende des Zweckverbandes ist unser Landrat und hat damit natürlich großes Interesse, dass sich dieses Werk in Moos rentiert. Der Wasserpreis wird sich dadurch verdoppeln, das sage ich heute schon.

PNP: Mit Bernd Sibler ist im vergangenen Jahr ein Plattlinger zum Wissenschaftsminister aufgestiegen. Versprechen Sie sich davon konkret etwas für die Stadt?
Das wäre Bananenrepublik, wenn Sibler es schafft, dass Plattling anders behandelt wird als andere Kommunen. Vielleicht kann er als Tippgeber helfen. Fakt ist: Beim MoMo müsste er als Wissenschaftsminister aufstehen und sagen: ,Das ist nicht eine Sache der Stadt Plattling, sondern des Freistaats Bayern.‘ Das wird er aber nicht sagen, sonst war er die längste Zeit Minister.

Interview: Christoph Häusler und Dominik Schweighofer

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