Viel Elan und große Vorbilder

Fraktionsführer HPW
SPD Plattling

06. Januar 2022

Zum Jahreswechsel hat die PZ allen Vorsitzenden der Fraktionen und Gruppierungen im Plattlinger Stadtrat fünf Fragen gestellt. Heute spricht Herbert Petrilak-Weissfeld (SPD) u.a. über seinen Vorgänger Georg Weiß, darüber wo Plattling anpacken muss und eine überraschenden Kanzler Olaf Scholz.

(PZ) Sie sind neuer Fraktionsvorsitzender der Plattlinger SPD, weil sich Georg Weiß wegen einer schweren Erkrankung aus der Politik zurückziehen musste. Wie schwer fällt es, diesen Kommunalpolitiker durch und durch mit all seiner Erfahrung und seinem Wissen zu ersetzen? Kann das überhaupt gelingen?
(HPW) Jeder Mensch ist ein Unikat und in seiner Gesamtheit unnachahmbar. Egal um welche Position es sich auch immer handelt, jeder Nachfolger wird danach streben die gestellten Aufgaben zumindest ordentlich zu erfüllen. Mir ist mit meiner Erfahrung aus nun 19 Jahren Stadtratsarbeit nicht bange den Posten als Fraktionsvorsitzender auszuüben. Als Vorbilder neben Georg Weiß habe ich stets gleichauf auch Siegfried Scholz vor Augen, der vor ihm in ebenfalls eigenen Stil die Fraktion moderierte und nach außen vertrat. Ob meine Art der Ausübung die Wertschätzung meiner Vorgänger je erreichen kann, wage ich nicht zu beurteilen, dies steht meinen Fraktionskollegen und der an Kommunalpolitik interessierten Öffentlichkeit zu.

(Pz) Die Plattlinger SPD hatte in der Vergangenheit bei einigen Großprojekten, wie etwa dem Ausbau des Michaeli-Kindergartens, ein andere Meinung als die CSU-Mehrheit und hat dafür auch gestritten. Beim geplanten Fachmarktzentrum, das in der Bevölkerung und der Plattlinger Geschäftswelt heftig umstritten ist, gab es zumindest öffentlich jedoch keinerlei Diskussionen. Warum?
(HPW) Die Plattlinger SPD folgt immer einer Linie: Was nach Gesetzen, Vorschriften und Regeln zu befolgen und was nach gerechtem Bedarf zu beachten ist. Statt eines großen Kindergartens mit aufwendigem Raumprogramm und Personalbedarf priorisiert die SPD wohnortnahe Lösungen. So hätte für uns die bessere und gerechtere Lösung in Form eines kleineren Kindergartens im Ortsteil Pielweichs bestanden.
Auch in Bezug auf das Großprojekt Momo ist unsere Position ganz klar an der Gesetzeslage ausgerichtet: Der Bau und Unterhalt von Hochschuleinrichtungen gehört nicht zum gesetzlich definierten Aufgabenfeld von Kommunen. Hier hat sich über Jahrzehnte leider eine sehr weitgehende Interpretation von kommunaler Selbstverwaltung breitgemacht, die Text und Geist der Gesetzgebung konterkariert.

Hingegen ist es sehr wohl kommunale Aufgabe auf den Bedarf an Einkaufsmöglichkeiten zu achten. In Plattling besteht aufgrund von fachlich belegten Vergleichszahlen ein rechnerischer Bedarf von 20.000 qm Verkaufsfläche, das bestehende Manko führt zu einer vermeidbaren Anzahl an auswärtigen Einkaufsfahrten. Plant nun ein Investor auf einer für den Zweck "Einzelhandel" gewidmeten Fläche ein Projekt zu realisieren das einen Teil des Bedarfes abdeckt, so kann ihm dies aufgrund geltender Rechtslage nicht grundsätzlich verweigert werden. Die Stadt hat aber Möglichkeiten per Betriebserlaubnis das Warenangebot zu steuern und so die Geschäfte der Innenstadt zu schützen. Es gab keinen triftigen Anlass zu strittiger Diskussion im Stadtrat oder in der Öffentlichkeit, denn der Bedarf an Verkaufsfläche ist belegt, die bestehenden Gesetze sind beachtet und die ergänzende Wünsche aus Anwohnerschaft und dem Stadtrat wurden planerisch und verbindlich auch für Eigentumsnachfolger eingearbeitet.

(Pz) Hans Schmalhofer ist seit März 2020 und nach dem Ende der Ära Erich Schmid Plattlings neuer Bürgermeister. Wie schlägt er sich Ihrer Meinung nach?
(HPW) Hans Schmalhofer ist ebenfalls ein erfahrener Stadtrat, er hat seine organisatorischen Fähigkeiten und sein Verhandlungsgeschick schon in seiner erfolgreichen Selbständigkeit bewiesen, diese Erfahrungen helfen ihm nun im "Großunternehmen Stadt Plattling". Seine Moderation der Stadtratsarbeit ist von Konzentration und Besonnenheit gekennzeichnet, stets zeigt er Respekt vor anderen Meinungen und wahrt Haltung auch in strittigen Situationen. Seine Art des Amtsverständnisses und der Amtsausübung ist sehr hilfreich in der gegenwärtigen, von der Pandemie angespannten Situation.

(PZ) Wo muss Plattling im Jahr 2022 dringend den Turbo zünden?
(HPW) Die Sanierung der Mittelschule steht ganz oben auf der Handlungsliste, hier liegt das größte Augenmerk der Verwaltung und des Stadtrates. Auch die Fertigstellung des Rathausanbaues hat Vorrang vor anderen Projekten. Als drittes Thema ist der Ausbau des schnellen Internets eine dringliche Aufgabe, da die Pandemie weiterhin für viele Arbeitnehmer das Arbeiten von zuhause aus erforderlich macht.
Das Thema kommunaler Wohnungsbau ist ebenfalls nach wie vor wichtig, denn vor allem junge Arbeitnehmer und viele Rentner können sich kein Eigenheim leisten. Zwar gibt es mehrere größere Projekte - die meisten jedoch leider nur auf dem Papier. Zum Thema kommunaler Wohnungsbau muss die SPD-Fraktion noch viel Überzeugungsarbeit leisten.

(PZ) Das vergangene Jahr hat den für viele sehr überraschenden Kanzler Olaf Scholz aus dem Hut gezaubert. Müssen Sie sich als Genosse selbst noch manchmal kneifen und wie zufrieden sind Sie mit dem, was im Koalitionsvertrag mit Grünen und FDP vereinbart wurde?
(HPW) Das Olaf Scholz zum Spitzenkandidaten gewählt wurde war parteiintern keineswegs eine Überraschung. Denn keine der Personen in der SPD die die grundsätzlich Eignung für die Kanzlerschaft haben, verfügt über die Erfahrung, Bekanntheit und die Belastbarkeit des ehemaligen Finanzministers und Vizekanzlers. Seine Kandidatur war deshalb nur folgerichtig. Überraschend allerdings war vor allem die Schwäche der CDU und immer mehr zeigt sich, dass diese Partei nach langen Jahren an der Macht schlicht ausgezehrt ist.
Dem Koalitionsvertrag muss ich zugestehen, dass er den gegenwärtigen Umständen nach nicht allen Anforderungen hinsichtlich gesellschaftlicher Gerechtigkeit entspricht, aber er beinhaltet immerhin eine Reihe wichtiger sozialdemokratische Forderungen. Dass auch grüne und liberale Zielsetzungen angemessen vertreten sind, trägt zur derzeitig erforderlichen politischen Ausgewogenheit bei. Denn in dieser von ungewohnten Ungewissheiten bis hin zu zeitweiser Orientierungslosigkeit geprägten Zeit ist eine Regierung erforderlich, die geschlossen die drängenden Themen anpackt und damit eine breite Mehrheit in der Bevölkerung erreichen kann: Gesundheit, mehr soziale Gerechtigkeit und die Modernisierung der Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit. Ich kann mir derzeit tatsächlich keine Koalition vorstellen, die geeigneter ist dieser Themenmischung gerecht zu werden.

(PNP, Lokalteil Plattling, 06. Jan. 2022)

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